Tag 10


Tag 10
23.02.2018

Heute früh habe ich versucht die Gedanken der Kämpfer und Rebellen in Ghota und anderen Gebieten um Damaskus zu verstehen. Ich habe mich gefragt was sie versuchen uns zu sagen, mit den Bomben, die sie auf Damaskus werfen. Wir alle wissen, dass sie sowieso tot sind. Das wissen sie auch und das weiss jeder Mensch auf der Welt, der versucht sich mit der Situation in Syrien zu beschäftigen. Sie kämpfen gegen das System, aber das System hat „gewonnen“. Das sagen alle. Ich bin fest der Überzeugung dass wir alle bei diesem Krieg nur verloren haben. Keiner hat gewonnen, nichts. Jedenfalls, es ergibt keinen Sinn noch zu kämpfen, ihre einzige Chance auf ein Leben ist zu flüchten. Nur ausserhalb Syriens, im Asyl könnten sie weiterleben. Wer der Weg findet, der hat Glück gehabt, aber r wird mit seinen Albträumen weiter leben müssen. Den Albträumen von den ganzen Seelen, die unter dem Regen seiner Bomben zum Himmel aufstiegen. Schuld ist der schlimmere Tod. Ich weiss, sie müssen alle sterben, damit die Leute wieder Ruhe finden. Ich finde es nicht okay, aber es ist wie es ist. Natürlich bin ich dafür, dass sie ihren Kampf aufgeben. Ich glaube was sie machen, ist nur eine Art von Amoklauf. Vielleicht sehen sie auch wie hungrig ihre Kinder sind und sie stört es, dass das Leben ausserhalb der Grenzen ihrer Stadt „normal“ weitergeht. Sie werden sterben und es ist wie es ist. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich sterben müsste, solange es dazu beiträgt die Situation für so viele Menschen zu erleichtern. Ich hätte nichts dagegen.

Wir waren bei meiner Tante in Damaskus, wieder einmal wegen des Erbe meines Großvaters. Money, money, money. Unglaublich wie wichtig dieser Scheiß ist. Wenn ich könnte, würde ich Flugzeuge mit Geld beladen und sie das Geld über Syrien ausschütten lassen.

Meine Cousine studiert auch Medizin, an der Damaskus Universität. Sie ist zu uns gekommen und wir saßen zusammen. Dabei hat sie mir von einem Projekt erzählt, welches die Jugendlichen in unserer Stadt ins Leben gerufen haben. „Wiederbeleben“ heißt es, oder so etwas ähnliches. Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie Studenten, sie haben diskutiert was sie machen können. Ich habe darauf hingewiesen, wie wichtig es ist den Impfstatus aller Kinder zu verfolgen, besonders derer die nicht zur Schule gehen. Ich habe im Bundeswehrkrankenhaus gelernt wie wichtig besonders die Masernimpfung im Katastrophenfall ist. Die Schulkinder in Syrien werden alle zwangs geimpft. Klasse! Damit hat man auch nie aufgehört, aber es gibt genug Kinder, die nicht zur Schule gehen, die muss man auffangen. Dann habe ich ihr gesagt, dass sie die schwangeren Frauen besser aufklären sollen, über die Wichtigkeit von Medikamenten in der Schwangerschaft. Über Vitamine und so, es kommen zur Zeit viele kranke Kinder in Syrien zur Welt, weil viele Frauen durch die Flucht nicht gut medizinisch versorgt werden. Dazu kommt die oft mangelhafte Ernährungslage der Schwangeren. Es gibt ganz viel zu tun und ich habe keine Ahnung wo man anfangen soll, aber ich weiss, man muss einfach anfangen, egal wo.


Später wurde der Kamin bei meiner Tante angezündet. Ich war sprachlos, als ich gesehen habe wie sie eine Plastikbüchse ins Feuer geschmissen hat. Alle haben mir gesagt, dass sie alles verbrennen um sich aufzuwärmen. Öl ist ja sehr teuer. Strom gibt es kaum und was bleibt dann noch? Und so habe ich meine erste Portion Plastikabgase eingeatmet. Dann hat sie eine große Tüte voller Lumpen geholt und ein Stück nach dem anderen ins Feuer gegeben. Ich habe das Feuer beobachtet, wie die Nylonfasern Feuer tropfen. Jeder der danach rein kam, fragte erstaunt, was wir verbrennen das der Rauch draußen so schwarz ist. Ich habe mich an die Bilder eines POL Falls erinnert, den wir an der Charite in Berlin bearbeitet haben. Bilder von zwei Leichen die kirschrot waren, erstickt durch Kohlenmonoxid. Ich habe überlegt was wäre, wenn wir so sterben, wenn Leute die ich liebe so heizen müssen und daran sterben? Ich fand es gar nicht schlimm. So stirbt man friedlich, erst wird es einem schwindelig, dann schläft man ein und wacht nicht mehr auf. Ich fand es nicht mehr schlimm, weil so zu leben in solcher Situation, das finde ich schlimmer. Und der Tod tut nur dem weh, der lebt.

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